Den Wein erwandern und erfahren

Wein trinken ist schön. Entdecken, wo die Reben gedeihen und die Trauben reifen, macht den Genuss noch grösser. Verschiedene Erlebnisse in den Walliser Weinbergen vermitteln Wissen. Die Terrassen an den Südhängen des Rhonetals prägen die Landschaft. Mauern aus Stein, sogenannte Trockensteinmauern, stabilisieren die Terrassen seit Jahrhunderten. Kanäle mit Gletscherwasser, Suonen genannt, liefern vielerorts das nötige Nass. Gleichzeitig zeichnet sich das Wallis durch eine grosse Palette verschiedener Böden, Lagen und Kleinklimazonen aus, kurz: durch seine Terroirs. Es ist also nicht erstaunlich, dass hier eine Vielzahl von Rebsorten ideale Bedingungen für ihre Entfaltung vorfinden. Die alten einheimischen Sorten Amigne, Cornalin, Humagne, Petite Arvine und Resi wurden nach und nach durch andere, damals als zeitgemässer geltende Sorten ersetzt. «Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde wegen einer Krankheit ein grosser Teil der alten Sorten durch pflegeleichtere und besser tragende Sorten wie Chasselas ersetzt», erklärt José Vouillamoz. Er ist Wein-Genetiker und Co-Autor des Standardwerkes «Wine Grapes», die weltweite Referenz zum Thema Rebsorten.

«Erst Ende der 1980er-Jahre begann man wieder vermehrt, traditionelle Sorten anzubauen.» Auch wenn die traditionellen Rebsorten (Pinot Noir, Gamay, Marsanne, Pinot Gris, Sauvignon Blanc, Sylvaner und Syrah) in vielen Weinregionen der Welt anzutreffen sind, erwerben sie im Wallis doch eine ganz eigene und attraktive Identität. Das gilt noch mehr für die einheimischen Rebsorten: «Wenn wir Spezialisten hier haben, die Wein degustieren, suchen sie oft nach Vergleichen. Ich sage immer, sucht nicht, denn es gibt nichts Vergleichbares, diese Weine sind wirklich an Land und Boden gebunden und haben ganz eigene Noten.» Auf den Etiketten der Walliser Weine sind denn auch immer die Rebsorten vermerkt (im Gegensatz zu anderen Regionen, die eher den Namen des Weinguts oder einer Marke hervorheben). Um die Sortenvielfalt zu bewahren und den Winzern gesunde Pflanzen von hoher Qualität zu bieten, hat der Kanton Wallis vor rund zwanzig Jahren ein Programm ins Leben gerufen. Dafür wird in gewissen aussergewöhnlichen, teilweise jahrhundertealten Rebbergen eine Anzahl von Pflanzen zahlreicher Rebsorten gesammelt. Dieses Pflanzenmaterial erlaubt es den Rebschulen, das Fortleben der betreffenden Sorten zu garantieren. Eine so begründete Neuanpflanzung bekommt dann das Label «Sélection Valais». 

Walliser Weinweg
Spaziergänge, Wanderungen oder Velorouten lassen die Gäste in eine eigene Welt eintauchen.

José Vouillamoz ist selber Mitbesitzer eines Weinbergs in Flanthey. Darin wachsen auch Reben der Sorte Landroter, heute Cornalin genannt. Eine kleine Präferenz hat er zudem für den Humagne Blanche. Seine Wurzeln gingen auf das Jahr 1313 zurück, damals sei diese Rebsorte, wie auch die Sorte Resi, in einem Register von Anniviers erstmals erwähnt worden. So zelebrierte Vouillamoz 2013 den 700. Geburtstag dieser beiden Rebsorten im Château de Villa in Sierre. Genau dort kann man jederzeit Walliser Weine aller Couleur und Provenienzen degustieren. Und dies gleich zum Anlass nehmen, einen Ausflug in die Rebberge zu starten. Beispielsweise mit dem Velo in die Weinmuseen in Sierre und Salgesch: Hier wird die Geschichte dieses aussergewöhnlichen Weinbaus erzählt. Am besten mietet man bei «Wallisrollt» ein Elektrovelo für den Tag und erkundet auf der zehn Kilometer langen Strecke Landschaften und Weinberge der Region. Ebenfalls mit dem Velo von «Wallisrollt» entdeckt man den 26 Kilometer langen Weinweg von Martigny nach Saillon. In der Distillerie Morand in Martigny, in der Vinothek Fol’terres in Fully oder in der Caveau de Saillon macht man eine Rast und kostet saisonale Spezialitäten. Auf der Rückreise lohnt sich ein Halt in den Bädern von Saillon mit einer Massage mit warmem Öl mit Aprikosen- oder Arnikaduft, bevor man die Panoramastrecke der Rhone-Route unter die Räder nimmt. 

Beliebt ist auch der Spaziergang entlang der Suone von Clavau, inmitten des terrassenförmig angelegten Weinbergs. Der Fusspfad folgt über Überhangkonstruktionen entlang der Holzkännel des alten Bewässerungssystems. Zahlreiche Rebhäuschen an der Strecke laden zur Degustation regionaler Produkte ein. Lohnenswert auch der Besuch des höchsten Weinbergs der Schweiz. Ein Lehrpfad führt von Visp zum Dorf Visperterminen – besser bekannt als Heidadorf. Der Weinberg reicht bis auf eine Höhe von mehr als 1150 Metern. Die Heimat der typischen Rebsorte Heida mit ihrem fruchtigen und mineralischen Geschmack ist ein ganz spezieller Ort: Auf dem Weinberg mit einem Höhenunterschied von mehr als 500 Metern wird die Sonnenwärme mit Trockensteinmauern eingefangen, um hervorragende Jahrgänge herzustellen. 

Text: Monique Ryser 
Fotos: Sedrik Nemeth

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