Ikone der Sportgeschichte
Vier Weltmeistertitel, ein Olympiasieg, 40 Weltcupsiege, viermal Gewinner des Gesamtweltcups, 13 Siege in den Disziplinenweltcups: Von solchen Erfolgen träumen die meisten Sportler, Pirmin Zurbriggen hat alles erreicht, was es für einen Skisportler zu gewinnen gibt.
Und nicht nur das: Der 52-Jährige wurde zum Idol – dank seiner Höflichkeit, Disziplin und Professionalität. Darum auch ist ihm der schwierigste Schritt gelungen: der Übertritt vom Sportlerleben ins Leben danach. «Das ist für keinen Sportler einfach, auch weil man ihm oft nicht hilft», sagt Zurbriggen.
Wie haben Sie es geschafft, vom erfolgreichen Sportler zum erfolgreichen Hotelier und Geschäftsmann zu werden? PIRMIN ZURBRIGGEN: Das war nicht einfach und kam nicht von heute auf morgen. Ich war erst 27, als ich aufhörte, also noch sehr jung. Zuerst brauchte ich etwas Zeit, um überhaupt herauszufinden, wie es weitergeht. Zudem wollte ich etwas lernen und Erfahrungen sammeln. Als Erstes konnte ich bei Marc Biver in dessen Marketingfirma arbeiten und danach bei der Skifirma Authier Erfahrungen sammeln. Ich kam erst vier Jahre nach Karriereende zurück ins Wallis und habe das Hotel meiner Eltern übernommen.
Und Sie hatten Glück, dass Ihre Frau Moni eine Expertin war? PZ: Ja, sie hat das Wirte- und Hotelpatent gemacht. Die Tatsache, dass meine Eltern das Hotel geführt hatten und ich ja damit aufgewachsen bin, hat ebenfalls geholfen. Am Ende war es ein ganzes Paket, das dafür verantwortlich war, dass es schliesslich klappte.
Heute führen Sie mit Moni das Suitenhotel Zurbriggen in Zermatt und sind zusammen mit Ihrer Schwester Esther und Ihrem Schwager am Wellness- und Spa-Hotel Zurbriggen in Saas-Almagell beteiligt. Wie führt man erfolgreich ein Hotel? PZ: Ein Hotel kann man gleichsetzen mit ständigen Investitionen. Man darf nie stillstehen, muss immer nah am Markt und bei den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden sein. Die Investments muss man sich aber zuerst verdienen. Ein Hotel führen kann also nur, wer eine langfristige Perspektive hat. Für mich heisst das auch, dass wir etwas aufbauen und erhalten, das von unseren Kindern weitergeführt werden kann.
Die beiden Hotels sind verschieden ausgerichtet und zeigen auch die Diversität und Individualität des heutigen Tourismus. Ist das Business schwieriger als noch zur Zeit Ihrer Eltern? PZ: Wir haben andere Herausforderungen, man muss sich klarer positionieren. In Saas-Almagell setzen wir auf die idyllische Atmosphäre und das Wohlbefinden mit dem 1100 Quadratmeter grossen Spa. Das Suitenhotel in Zermatt mit bis zu 30 Betten setzt auf Design, Komfort und eine atemberaubende Sicht aufs Matterhorn. Alle Hotels sind aber darauf angewiesen, dass die jeweilige Destination Werbung macht, wir Hoteliers können das nicht allein. Auf Ebene der einzelnen Hotels ist Mund-zu-Mund-Propaganda für uns das Beste – die meisten Gäste in unseren beiden Hotels haben wir dank der persönlichen Empfehlung.
Wie wirkt sich der Frankenkurs aus? PZ: Die ganze Hotellerie hat Gäste aus dem Euroraum und auch aus der Schweiz verloren. Da muss man genug Atem haben, das zu überbrücken. Da wir viele langjährige Gäste haben, ist bei uns das Problem etwas weniger akut. Zudem kommen viele Asiaten, Amerikaner und Australier ins Wallis und vor allem nach Zermatt. Das hilft zu kompensieren.
Sie gehen selber auch mal mit dem Elektroauto an den Bahnhof Zermatt, um die Gäste bei ihrer Ankunft ab- zuholen. Staunen diese nicht, wenn plötzlich «der Pirmin» vor ihnen steht? PZ: Ja, doch, manchmal staunen sie schon und haben Freude. Aber es ist doch so: In der Hotellerie und Gastronomie geht es ums Dienen. Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft sind entscheidend. Ich gehe übrigens sehr gerne Leute abholen und bin mir dafür überhaupt nicht zu schade. Denn wenn dem so wäre, würde das ja heissen, dass ich die Arbeit des Fahrers und des Portiers als minderwertig anschauen würde. Für mich ist es selbstverständlich, jede Arbeit, die unsere Angestellten machen, wenn nötig auch selber zu erledigen. Ich denke, dass sie das schätzen und dass der Gast das merkt.
Was zeichnet die Walliser Gastfreundschaft aus? PZ: Es ist das, was man als Charakter der Bergler bezeichnet. Wir sind ursprünglich und urtümlich. Wir können sehr euphorisch sein und Freude ausstrahlen. Unser schöner Dialekt macht den Leuten ebenfalls Freude. Und dann ist da natürlich die Natur im Wallis: Die fulminante Bergwelt hat die Fähigkeit, den Körper der Menschen mit Kraft aufzuladen. Das sagen uns viele Gäste, die, auch wenn sie nur ein paar Tage da sind, gestärkt und wie neugeboren aus dem Wallis abreisen.
Neben Ihrem Unternehmen haben Sie sich auch in der Förderung des Ski- Nachwuchses engagiert. Warum? PZ: Für sportinteressierte Kinder ist es sehr schwierig, Sport und Schule zusammenzubringen. Das wollte ich ändern, denn Sport ist so wichtig, er ist wirklich eine Lebensschule. Dabei geht es nicht darum, dass möglichst viele an die Spitze kommen, sondern dass sie ihre Freude am Sport ausleben können. Der Skiverband Wallis, dessen Präsident ich bin, hat in den letzten zehn Jahren mit den Schulen, Sponsoren und dem Kanton zehn regionale Stützpunkte geschaffen, an denen trainiert werden kann. Denn es ist wichtig, dass die Kinder bis 15-, 16-jährig zu Hause bleiben können. In der Familie werden ihnen Werte vermittelt, die für das ganze Leben wichtig sind: Liebe, Wertschätzung, Zusammenhalt. So können sie von zu Hause aus und mit Mitarbeit der Schulen ein Training absolvieren, das diesen Namen auch verdient.
Das Modell scheint zu funktionieren ... PZ: ... ja, wir haben jetzt ein paar junge Walliser im Weltcup. Aber wie gesagt, es geht nicht nur um die Spitzenleistungen – das ist das, was man einfach am meisten wahrnimmt. Auch diejenigen, die es nicht in den Welt- oder Europacup schaffen, profitieren. Weil Sport uns lehrt, Schwierigkeiten zu überwinden, er lehrt uns zu verlieren und beim Siegen nicht abzuheben.
Sabines Traumberuf
Nächste Geschichte