Apéro statt Digestif

Morand steht für feinste Destilleriekunst.

Morand steht für feinste Destilleriekunst: Williamine® und Abricotine AOP wurden über Jahrzehnte in der ganzen Schweiz als Digestif gereicht. Heute trinkt man sie in hippen Drinks, gemixt als Apéro.

Es war immer dasselbe Ritual: Nach dem Znacht mit Gästen stellte der Hausherr Schnapsgläser auf den Tisch, öffnete das Schränkchen mit den interessanten Flaschen und fragte: “Einen Digestif?” Ü-40 kennen deshalb den Schriftung und die Etikette der Distillerie Morand und wissen, dass es Williamine® nur in Morand-Flaschen gibt. Das war gestern so, und das ist auch heute noch so. Den in der 130-jährigen Firmengeschichte gab es nicht nur begnadete Destillateure, sondern eben auch gute Kaufleute, die dafür sorgten, dass die Marke Williamine® geschützt wurde.

Dieses Alleinstellungsmerkmal war aber nicht einfach so zu haben. Bereits Firmengründer Louis Morand verarbeitete nur beste Ausgangsprodukte, um seine Eaux de Vie herzustellen. Nicht selbstverständlich, denn oft wurde und wird nur die zweite Wahl an Früchten für die Destillation verwendet. In Martigny kam immer nur erste Qualität in die Fabrik, um die Maische, als Vorstufe des Destillats, anzusetzen. „Das hat schon mein Urgrossvater so gemacht, und das ist bis heute so“, erklärt Bruno Vocat, in direkter Linie Nachkomme des Firmengründers aus der vierten Generation und zuständig für die Produktion.

Das allererste Produkt seines Vorfahren war ein Likör, der Liqueur du Grand St-Bernard, hergestellt aus Kräutern nach einem Rezept direkt aus dem Hos­piz. Im Gegensatz zu anderen Destillateuren jener Zeit, verarbeitet Louis Morand Pflanzen und Früchte direkt und nicht als Essenzen oder Extrakte. An den damaligen Weltausstellungen wird er mit Preisen bedacht und hat grossen Erfolg. Der führt dazu, dass er weitere Liköre herstellt. Louis Morand stellt auch bereits Sirupe her – diese werden, vor allem in der Westschweiz, zum Inbegriff des Fruchtsirups. Heute gibt es über dreissig Sorten, darunter auch aus Walliser Aprikosen und Birnen.

Die zweite Generation unter André Morand baut den Betrieb aus und wird zum Händler anderer Marken wie der Biere Beauregard und Cardinal, der Champagnermarke Moët sowie des damals aufkommenden Coca-Colas. André Morand ist es auch, der in den 1940-er Jahren beginnt, Eau de Vie aus Williamsbirnen herzustellen. Er kauft den Namen von einer Genfer Destillerie, lässt ihn als Marke 1953 in der Schweiz eintragen und drei Jahre später international schützen. Das Produkt hat grossen Erfolg, der Nachschub muss sichergestellt werden. Die Walliser Obstbauern machen mit, pflanzen Bäume und schaffen einen neuen Wirtschaftszweig: Noch heute liefert der Kanton 72 Prozent der gesamten schweizweiten Ernte an Williamsbirnen! Und Morand hat seitdem rund 150 Millionen Kilo davon verarbeitet.

Doch etwas fehlte noch. Die Kultfrucht des Wallis ist die Aprikose. In der dritten Generation kämpft Louis Morand dafür, dass exzellente Produkte des Terroirs auch für Kundinnen und Kunden erkennbar werden: Er arbeitet wesentlich daran mit, dass das Label AOP - Appellation d’Origine Protégée – auch für die typische Walliser Aprikose Luizet gilt. Und dass auch die daraus gebrannte Abricotine das Label AOP erhält. “Heute haben wir eigene Plantagen mit Luizet-Aprikosen in Saxon”, erklärt Bruno Vocat.

Bruno Vocat, Julien Morand und Fabrice Haenni (von links) beim Testen von Abricotine AOP.

Wer meint, mit so viel Vorarbeit sei das Geschick einer erfolgreichen Firma für immer gesichert, der täuscht sich. 2004 wurde in der Schweiz die Promillegrenze für Automobilisten auf 0,5 gesenkt. «Seitdem herrscht die Angst vor dem Gendarm», wie es Bruno Vocat schmunzelnd formuliert. Klar, dass der Alkoholkonsum sank, aber nicht zu Beginn des Abends, sondern am Ende – beim Digestif eben. «Eaux de Vie werden oft nur mit Digestif in Verbindung gebracht, in Mode sind heute Gin und gemixte Drinks», konstatiert Fabrice Haenni, Direktor von Morand. “Dabei eignen sich unsere hochklassigen Eaux de Vie aus Aprikosen, Birnen, Himbeeren oder Mirabellen zusammen mit den Sirupen mit dem feinen Aroma bestens für frische, modern Mixgetränke.” Morand hat also den Swiss Cocktails Service und Swiss Rock eröffnet: «Wir kommen als Cocktail-Caterer vorbei und betreiben an Anlässen die Bar. Dabei gehen wir auf die Wünsche der Kunden ein, mixen nach Themen oder Farben – was gewünscht wird.» Morand hat neu auch den gefragten Gin im Programm: einerseits den von einem Walliser entwickelten Alata, aber auch einen mit Yuzu-Note von Niels Rodin. Auch die Eaux de Vie bekommen neues Leben – als Coeur mit besonders hohem Fruchtanteil, als Douce de mit weniger Alkoholgehalt oder als vegane Mousse, die sich als Häubchen für den Kaffee, aber auch für Drinks eignet.

130 Jahre Morand: Julien Morand, Urenkel des Gründers, und Direktor Fabrice Haenni (links) vor einem historischen Lastwagen.

Und da wären noch die Pastillen, Tees und Kräuter der Marke Grand St-Bernard – aus Bio-Kräutern und mit der Marke Wallis ausgezeichnet. Morand hat den Familienbetrieb 2015 gekauft. Und nicht nur das: Fabrice Haenni, mit seinen Eltern im Kräuterbusiness aufgewachsen, hängte seinen Job als Banker an den Nagel und stieg als Direktor bei Morand ein. “Eine schönere Aufgabe, als bei Morand zu arbeiten, hätte ich mir nicht erträumen können.” Und so führt er zusammen mit drei Urenkeln des Gründers den Familienbetrieb in die Zukunft.

Text: Monique Ryser Fotos: Sedrik Nemeth

Publiziert: April 2020

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