Kulturerbe des Wallis
Ohne Trockensteinmauern gäbs im Wallis keinen Wein. So einfach ist das – und so faszinierend zugleich. Die Trockenmauern werden nämlich durch nichts mehr als die richtige Anordnung der Steine zusammengehalten.
Die höchsten Trockensteinmauern türmen sich bis zu fast zwanzig Meter hoch dem Himmel entgegen. Sie stehen bei Sion und prägen die rechte Seite des Rhonetals. Den mächtigen Brüdern stehen im Oberwallis etwas tiefere Bauwerke entgegen. Uralt ist die Technik, eine Trockensteinmauer zu bauen. Bereits 800 bis 700 Jahre v. Chr. sind Terrassierungen rund um Jerusalem belegt. Im Wallis sind die Trockensteinmauern unterschiedlich alt. Teilweise stehen sie seit dem 17. Jahrhundert, ein Grossteil ist rund 100 bis 150 Jahre alt.
Grund für die imposanten Bauwerke: Wollte man das Land an den sonnigen, aber steil abfallenden Südhängen des Rhonetals nutzen, mussten diese terrassiert werden. Mauern stützen dabei das geschaffene Gelände ab und verhindern, dass die Erde abrutscht. Trockenmauern, wie sie im Wallis stehen, erhalten ihre Stabilität dabei alleine durch die richtige Anordnung der Steine. Auf Verbundstoffe wie Mörtel wird völlig verzichtet. Während die höchste Trockenmauer Europas, die Cotzette bei Sion, an den Fels angebaut und statisch anders dimensioniert ist, sind alle anderen Walliser Mauern auf konventionelle Art gebaut.
Sie sind grundsolide und halten mehr aus als starre Betonmauern. Trockensteinmauern sind Mauern fast für die Ewigkeit – ausser eben, es kommt der schlimmste Feind, das Wasser. Und sie brauchen Pflege und Reparatur. Einer, der alles über die Bauweise der Trockensteinmauern weiss, ist Beat Locher. «Die Kunst besteht im geschickten Zusammenpassen und Auswählen der vorhandenen Steine», erklärt er. Wichtig seien ein geübtes Auge, kreatives Vorstellungsvermögen und vor allem die Erfahrung. Als Werkzeuge benützen die Mauerbauer Richthammer und Fäustel, Setzer und Preller. «Erfahrene Trockenmaurer verbinden die Techniken des Trockenmauerbaus und des Steinmetzes», so Locher. Wurden die Mauern von Profis erstellt, sehe man das sofort – auch Jahrhunderte danach. Ihn faszinieren die Bauwerke, «sie zeugen vom Überlebenskampf um jedes Stückchen Land».Die Walliser Terrassenlandschaften gehören zu den eindrucksvollsten Kulturlandschaften der Schweiz. Rund 1500 Hektar Rebland mit geschätzten 3000 Kilometern Trockensteinmauern sind terrassiert.
Text : Monique Ryser Fotos : Marco Schnyder
Publiziert: Juni 2023
Auf auserlesenen Singletrails durchs Wallis
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