Frauenpower im Val d’Hérens

Morgane Seppey mit ihren Eringerkühen auf der Alp Mandelon, Val d'Hérens, Wallis, Schweiz

Die Menschen im Walliser Val d‘Hérens sind auf drei Dinge stolz: Ihren «Patois»-Dialekt, ihren Dent Blanche und ihre Eringerkühe.

Hoch oben auf der Alp Mandelon, eingebettet in die wilde Bergwelt, weiden im Sommer vier dieser stolzen und kampffreudigen Tiere von Morgane Seppey. Zusammen mit ihrer Familie hält sie Eringerkühe und führt so eine jahrhundertealte Tradition fort.

Frauenpower im Val d’Hérens

Der ganze Stolz des Tals

Hörner schlagen gegeneinander und die Glocken schellen lautstark. Zwei muskulöse 600 Kilogramm schwere Eringerkühe kämpfen gerade gegeneinander. «Keine Sorge, sie kämpfen aus natürlichem Trieb und nur untereinander», erklärt Morgane Seppey und lächelt. Ihr gehören vier der rund 100 Kühe, die hier oben auf der Alp Mandelon den Sommer verbringen. Bagdad, Pascha, Pink und Salsa heissen sie. Die Eringerkühe oder «les Vaches d’Hérens», wie sie auf Französisch heissen, sind der ganze Stolz des Tals. Aus diesem Grund wurden sie auch nach dem Tal benannt. Im Kampf stossen die Kühe mit der Stirn gegeneinander. Dabei setzen sie auch ihre Hörner mittels verschiedener Techniken ein. Diejenige Kuh, die sich schwächer fühlt, verlässt den Kampf. «Sie verletzen sich dabei sehr selten», erzählt Morgane weiter.

Eringerkuh, Val d'Hérens, Wallis, Schweiz

Unsere Passion – unsere Tradition

Die Eringerrasse ist eine alte Haustierrasse, welche hauptsächlich im Wallis und im Aostatal gezüchtet wird. In der Schweiz gibt es noch rund 6000 Eringerkühe. «Hier im Tal besitzt beinahe jede Familie Eringerkühe. Sie sind unsere Haustiere, wie bei euch die Hunde und Katzen», erzählt Morgane mit einem stolzen Lächeln. Morgane arbeitet hauptberuflich als Hochbauzeichnerin. Das Halten der Eringerkühe ist für sie, wie für die meisten Walliser, ein Hobby. «Die Eringerkühe sind unsere Passion – unsere Tradition», erklärt Morgane. Eine Tradition, die in der Familie von Generation zu Generation fortgeführt wird. Die starken Tiere, die angsteinflössend wirken können, haben aber auch eine sanftmütige Art. Ja, sie sind ihren Besitzern gar anhänglich und mögen es, gestreichelt zu werden. «Wir sind täglich bei ihnen, da entsteht eine enge Beziehung», ergänzt Morgane.

Morgane Seppey und Eringerkuh, Val d'Hérens, Wallis, Schweiz

Explosive Stimmung...

Die Eringerkühe geben nicht allzu viel Milch. Dafür sind sie für ihre Kampfkraft berühmt. «Jetzt, gegen Ende der Alpsaison, kämpfen sie aber nicht mehr so viel. Es hat sich bereits eine Hierarchie etabliert», erklärt Morgane. Im Frühsommer nach dem Alpaufzug hingegen schon. «Da herrscht eine explosive Stimmung», erzählt Morgane weiter. Denn dann treffen die Kühe der unterschiedlichen Familien das erste Mal aufeinander und lernen sich kennen. Die Kühe kämpfen um ihre Rangordnung auf der Alp und bestimmen ihre «Königin der Herde». Die Hierarchie ist für das Zusammenleben im Sommer notwendig. Die Königin geniesst mehrere Privilegien: Sie darf, nein muss die Herde leiten, wird am Ende des Alpsommers gekrönt und darf hübsch geschmückt den Alpabzug anführen.

Alpaufzug in Mandelon, Evolène, Val d'Hérens, Wallis, Schweiz

Spektakuläre Kuhkämpfe – eine echte Schweizer Tradition

Die natürliche Kampffreude der Eringerrasse führte in den 1920er Jahren zu organisierten Kuhkämpfen den «Combats des Reines». Diese traditionellen Kuhkämpfe sind dank der Geselligkeit und dem Raclettevergnügen sowohl für Einheimische als auch für Touristen ein Erlebnis. Eingeteilt in Alters- und Gewichtskategorien, suchen sich die Kühe ihre Gegnerinnen im Ring aus. Diejenigen, die den Kämpfen entfliehen oder diese verlieren, scheiden aus. Sogenannte Rabatteure kümmern sich stets um das Wohl der Tiere. Die stärkste Kuh pro Kategorie wird zur Königin erkoren und kämpft dann im Mai um den Titel «Königin der Königinnen». Das Nationale Eringer Kuhkampffinale in Aproz zieht bis zu 10 000 Besucherinnen und Besucher an und hat sich längst zu einem Höhepunkt echter Schweizer Tradition entwickelt.

Eringerkühe, Arena, Wallis, Schweiz

Wanderung zur Alp Mandelon

Du möchtest die Eringerkühe in ihrer Heimat beim Kämpfen beobachten? Dann nichts wie los an einen spektakulären Kuhkampf oder auf eine Alp, zum Beispiel die Alp Mandelon. Mit dem Postauto geht es von Sion nach Evolène, Village. Ein Highlight auf der Strecke: die bizarren Gesteinspyramiden von Euseigne. Sie bilden das Tor zum Val d’Hérens. Dahinter öffnet sich das kesselartige Hochtal, eingerahmt von einem grossartigen Gipfelkranz und überstrahlt vom mächtigen Dent Blanche. In Evolène angekommen lohnt es sich, durch die schmalen Gassen zwischen den historischen Holzhäusern und Scheunen hindurch zu spazieren.

Mit dem Sessellift geht es in 20 Minuten hoch auf die Alp Chemeuille, wo die eindrückliche, rund vierstündige Wanderung beginnt. Etwa nach einer Stunde, in der Hälfte der Strecke zur Alp, liegt ein kleiner See. Hier lohnt es sich, eine Rast einzulegen und die imposante Bergwelt zu geniessen. Das Panorama reicht vom Dent Blanche bis hin zum berühmten Matterhorn. Auf gut markierten Wegen geht es gemütlich weiter bis zur Alp Mandelon. Mit etwas Glück weiden die Eringerkühe direkt vor der Restaurantterrasse und sorgen mit ihren Kämpfen für Spektakel. Sicher ist, dass die Landschaft sowie die hausgemachten traditionellen Gerichte begeistern werden. Ein echter Geheimtipp – noch. Und wer zurück ins Tal reist, wandert zum Abschluss im Zickzack hinunter zur Bushaltestelle Praperrot, von wo es zurück in die Dörfer des Val d’Hérens oder ins Rhonetal geht.

Wandern, Alp Mandelon, Val d'Hérens, Wallis, Schweiz

Quelle: myswitzerland.com

Publiziert: Mai 2020

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