Und jetzt aufs Podest
Kurz vor Saisonstart hat Skirennfahrer Ramon Zenhäusern einen klaren Kopf : dank der Vorbereitung auf seinem Heim-Gletscher am Mittelallalin ob Saas-Fee.
Seinem ersten Weltcup-Rennen der Saison in Levi (Finnland) am 18. November 2018 sah Ramon Zenhäusern, 26, gelassen entgegen. Dass er diesmal unter den Besten an den Start ging, änderte daran nichts. Denn seit dem 22. Februar 2018 ist er ein gefragter Athlet. Damals hat der Zweimetermann aus Visp in Pyeongchang Olympia-Silber im Slalom geholt. Es sollte so sein: «Das Rennen ist am 22.2., du bist zwei Meter gross und wirst auf den zweiten Platz fahren», zitiert Ramon Zenhäusern seinen Sportpsychologen Frank Trötschkes. Gesagt, getan! Und nur zwei Tage später gewinnt er mit der Ski-Nati im Team-Event die Goldmedaille.
Der Walliser hat lange auf seinen Erfolg hingearbeitet. Seit er zwölf war, trainiert er professionell. «In meiner Karriere ging es bisher immer vorwärts, manchmal in kleinen Schritten, aber dennoch vorwärts», resümiert er seine bisherigen sportlichen Leistungen. In die Rennsaison 2018/2019 startet der Slalom-Spezialist als Sechstplatzierter auf der Weltrangliste. «Das heisst, ich müsste mindestens Fünfter werden», sagt Ramon Zenhäusern lachend. Den wachsenden Druck von aussen und die veränderte Erwartungshaltung spürt er natürlich. Selber will er sich nicht zusätzlichen Druck machen. Sein wichtigstes Ziel ist nach wie vor, «gesund bleiben und Spass am Skifahren haben. Dann kommen die Resultate von alleine.» Dennoch setzt er seit letztem Frühjahr auch auf die Empfehlungen seines Sportpsychologen und hat die Selbsthypnose für das mentale Training entdeckt. Bodenständig und gelassen, wie Ramon Zenhäusern ist, versichert er: «Was ich erreicht habe, kann mir niemand mehr nehmen.» Und schliesslich habe er noch – solange er gesund bleibe – gut zehn Jahre für Bestleistungen vor sich.
Das Skifahren entdeckt und lieben gelernt hat Ramon Zenhäusern im Walliser Ferienort Bürchen, wo seine Eltern ein Chalet haben. Keine zwei Jahre alt war er, als ihn der Kinderskilift erstmals mitzog. Heute trägt dieser Ramons Namen. Später reservierte Papa Peter Zenhäusern jeweils einen Pistenabschnitt auf der Moosalp, um seinen Sohn zu trainieren. Dass sich Ramon trotz seiner Körpergrösse auf den Slalom spezialisiert hat, liege wohl auch daran, dass sie jeweils nur am Pistenrand die Torstangen stecken konnten, anstatt eine ganze Piste für sich zu beanspruchen. Aber auch vom Typ her sei er weniger der Speed- Fahrer. Das Unfallrisiko sei dabei viel grösser, und das sei es ihm nicht wert. Viele rieten ihm vom Slalom-Sport ab, weil er zu lang und zu «gschtabig» sei. An ihn geglaubt hätten aber schon immer sein Papa sowie sein Mentor und Trainer Didier Plaschy, ehemaliger Skirennfahrer und Direktor von Ski Valais.
Mit Letzterem trainiert er schon seit vielen Jahren über die Sommermonate auf dem Feegletscher am Fusse des Allalin auf 3500 Metern über Meer. Ab Mitte Juli sind am Mittelallalin jeweils drei Lifte in Betrieb mit 20 Pistenkilometern. Der vierte wird derzeit gebaut und ist ab Sommer 2019 geöffnet. An Spitzentagen hat das Sommerskigebiet Saas-Fee rund 1200 Skifahrer pro Tag, fast ausschliesslich professionelle Trainingsmannschaften. Über 300 Teams trainieren hier. Davon sind ungefähr ein Viertel Nationalmannschaften aus gut 20 verschiedenen Ländern aus Europa, Nordamerika und selbst aus Japan. Der spanische Skiverband hat gar seine Sommerbasis für fünf Monate in Saas-Fee aufgeschlagen und kommt mit allen Teams und Altersstufen aufs Mittelallalin. Seit diesem Sommer ist Ramon Zenhäusern offizieller Sommerski-Botschafter von Saas-Fee. Sein Bezug zur Region hat sich jedoch schon viel früher gefestigt. Hier hat er Freunde und Bekannte, die ihn auf dem Weg an die Spitze begleiteten. Nach seiner Rückkehr aus Pyeongchang und dem freudigen Empfang in Visp verbrachte er den Abend in Saas- Fee. «Nach dem Nachtessen mit Freunden war Ramon schon um 20.30 Uhr in seinem Zimmer. Er freute sich dermassen auf einen Moment für sich alleine, um zu realisieren, was ihm da gelungen war», verrät Stefan Schnyder, Besitzer und Gastgeber im Hotel Jägerhof. Auf seine Einladung hin kam Ramon Zenhäusern während und nach seines letzten Ski-Winters zu ihm ins Hotel zum Abschalten und Krafttanken.
Ferien machte der Medaillengewinner später als geplant und arbeitete an seinem Bachelor des Fernstudiums in Wirtschaftswissenschaften. Mit dem Studium mache er etwas für den Kopf und finde einen Ausgleich, um nicht den ganzen Tag nur ans Skifahren zu denken. Weil er diesen Sommer später mit dem Skitraining begann als seine Teamkollegen, entschied er sich, in Saas-Fee zu trainieren. Schliesslich hat sich das Sommertraining auf dem Feegletscher bewährt. Die Vorbereitungen für seine letzte, äusserst erfolgreiche Skisaison hat er auch hier absolviert. «Ich bin in einer halben Stunde auf dem besten Gletscher Europas und kann nachmittags noch schwimmen oder Velo fahren», auch das ist ein Grund für Ramon Zenhäusern, auf seinem Heim-Gletscher zu trainieren. «Dabei den Sonnenaufgang über der Mischabelkette zu sehen, gibt mir Kraft», sagt er. Aus der Nähe zu seiner Familie und zu seiner Heimat schöpft er viel Energie. «Auch wenn ich oft unterwegs bin, werde ich mein Leben lang zurück ins Wallis kommen», schwärmt Ramon Zenhäusern.
Text: Manuela Lavanchy Fotos: Sedrik Nemeth
Publiziert: Dezember 2018
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