Thermalwasser, so kräftig wie Feuer

Franz-Josef Julier ist ein «Frühbader» - er geht oft morgens um acht Uhr, nicht allein des beschaulichen Aufmarsches um diese Zeit wegen. «Nach jedem Bad fühle ich mich erquickt für den Tag», sagt er, der Zunftmeister der Thermalquellen-Zunft. Er weiss um die Güte dieses Wasserwunders.

Was die Natur in Leukerbad – zusätzlich zu der grandiosen, schaurig-schönen Bergkulisse mit der Gemmiwand – eingerichtet hat, grenzt an Bevorzugung. Täglich sprudeln 3,9 Mio. Liter Thermalwasser, das bis zu 51 Grad warm ist, aus 65 Quellen. Dieses Vorkommen ist das grösste in Europa. Die Vielgestaltigkeit, wie die Badner ihr Wasser zu nutzen wissen, führt dazu, dass Sportfreaks sich in Leukerbad genauso wohl fühlen wie Wellness-Liebhaber, Ruhesuchende oder Familienmenschen.

Ein Steg zur Quelle

«Thermalwasser ist nicht gleich Thermalwasser» bekräftigt Franz-Josef Julier. Vor allem die Gäste aus Italien – nicht nur die – kämen bevorzugt aufgrund der wohltuenden Zusammensetzung: Neben Natrium, Strontium und Eisen enthält das Calcium-Sulfat-Wasser einen bemerkenswerten Fluoridgehalt. Es stärkt Muskulatur, verbessert die Gelenkschmiere und hilft daher bei Arthrose, wirkt harntreibend oder regt die Verdauung an. Franz-Josef Julier hält an den sanften Massagedüsen der Leukerbad Therme seinen Rücken geschmeidig, während er über Gott und die Wasserwelten nachdenkt.

Ob es nun beim Baden war oder abends beim Feierabendbier an der Bar der Leukerbad Therme sei dahingestellt. Auf jeden Fall beschlossen er und seine Kollegen, man sollte den Gästen die Quellen zeigen. Ein Thermalquellen-Steg sollte her. Das war vor gut 15 Jahren. «Baden und Wandern geben ein ideales Paar ab». Franz-Josef Julier war damals Burgerpräsident und rief eine Wassergruppe ins Leben, die später zur Thermalquellen-Zunft wuchs. «Wir wissen viel über das Thermalwasser. Das wollten wir mit einem grossen Publikum teilen.» 2003 zum Jahr des Wasser stand der Steg bereit – und was für einer! Selbst Menschen im Rollstuhl können vorbei an schroffen Felswänden bis tief in die Dalaschlucht vordringen. 600 Meter lang geht es in die Schlucht, die Kraft des Wassers zum Greifen nah, an bemoosten Felswänden entlang, bis hin zu einem 35 Meter tiefen Wasserfall. «Dort stehe ich am liebsten. Allein wie das Wasser aus dem Innern der Erde gischt, grenzt an ein Wunder.» 

Mystische Wasser

Schriftsteller und Dichter wie Mark Twain oder Goethe nutzten die grossartige Naturkulisse von Leukerbad als Inspirationsquelle. Sie sprudelt noch und so ist denn auch die Thermalquellen-Zunft nie um weitere Ideen verlegen. Julier will zusammen mit den 256 Mitgliedern eine Kneipp-Anlage bauen und die Fussbadquelle im Dorf erlebbar machen.

Wasserthemen gibt es viele. «Ein einzigartiges Badeerlebnis bietet die Leukerbad Therme mit dem Aqua mystica, bei dem das Wasser quasi zum Brennen kommt und mit dem Champagner-Frühstück. Letzteres hat selbst einen Skeptiker wie mich begeistert, wo ich in solchen Dingen doch eher zurückhaltend bin.» Mit Freunden zwischen schwimmenden Holzbrettern frühstücken ist auch für eingefleischte Badner, wie die Leukerbadner weiter vorne im Tal genannt werden, mal was anderes. 

Eine Wanderung durch die Dalaschlucht von Leukerbad. Ein mystisches Erlebnis.
Eine Wanderung durch die Dalaschlucht von Leukerbad. Ein mystisches Erlebnis.

Grüne Wärme fürs Dorf

«Meine Grossmutter erzählte uns, sie habe für den Abwasch warmes Wasser vom Dorfbrunnen geholt. Heute verfügen wir über eine ausgeklügelte Energierückgewinnung.» Das 51 Grad heisse Thermalwasser erwärmt in einen geothermischen Wärmetauscher normales Kaltwasser. Dieses wird für die Heizung und die Wasserversorgung von verschiedenen Hotels und Thermalbädern benutzt. Auch steile Parkhauseinfahrten bleiben im Winter schnee- und eisfrei, weil das thermale Abwasser des Lorenzbad darunter durchgeleitet wird.

Franz-Josef Julier ist ein Mann der Taten. Er hilft jedes Jahr am Schäferfest mit, wenn die Bauern auf der Gemmi ihre Schafe von den steilen Hängen hinab zum Daubensee zusammentrommeln. Am 27. Juni 2015 wird er am Kantonalen Nachwuchsschwingertag Festtische aufstellen und danach das Geschehen nahe am Sägemehlring mitverfolgen. «Das Wasser, die Gäste, unsere Felsen – all das erachte ich als Privileg, hier zu leben.»

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