Sie gestalten das Wallis: das Architekten- paar Bonnard und Wœffray. Fasziniert vom Grau der kargen Felsen, dem Grün der üppigen Vegetation und der Macht der Berge, entwerfen sie Heimat für Menschen. Lederjacken, Jeans, schwarz-weisse Hemden – das ist das heutige Tenue von Geneviève Bonnard und Denis Wœffray. Sie kommen im schwarzen Sportwagen angebraust, und man weiss sofort: Hier ist Effizienz gefragt – und klare Worte.

Das Paar, privat und beruflich, hat auch viel um die Ohren. Die Auftragsbücher von Bonnard Wœffray Architectes sind voll. Sie gewinnen Wettbewerb um Wettbewerb und sind auf bestem Wege, das Wallis – zumindest zum Teil – neu zu gestalten. Was sie dabei am meisten fasziniert, ist der öffentliche Raum. «In der Schweiz haben wir eine sehr hochstehende Architektur, was die Gebäude von Gemeinden und Kantonen angeht», so Denis Wœffray. Die Schweiz habe auch immer wieder grosse und weltweit prägende Architekten hervorgebracht. Und nicht nur Architekten: Bonnard geht zum Gestell und nimmt ein Buch über den Ingenieur Alexandre Sarrasin (1895–1976) hervor, der das Wallis massgeblich geprägt hat. Er hat 1925 nicht nur die wohl schönste Staumauer – die von Les Marécottes mit Gewölben und Strebepfeilern – gebaut, sondern auch zahlreiche feingliedrige Brücken wie die Gueuroz-Brücke (1934) über die Trient- schlucht. Sie ist mit 187 Metern noch heute die höchste Strassenbrücke der Schweiz. Wie die ETH Lausanne anlässlich einer Ausstellung über Sarrasin schrieb, habe der Walliser Staatsrat mit seinen Aufträgen zum Bau von Eisenbahn- und Strassenbrücken den Kanton in die Neuzeit geführt. Bonnard und Wœffray sind sich einig: Es bräuchte wieder einmal eine so mutige Tat wie zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Dass nämlich Kantone und Gemeinden Visionen über das künftige Zusammenleben und damit eben auch über die Siedlungspolitik entwickeln würden.

Geneviève Bonnard und Denis Wœffray
Geneviève Bonnard und Denis Wœffray sind privat und beruflich ein Paar. Er Walliser, sie ursprünglich Waadtländerin, schätzen sie die direkte Art der Walliser.
«Man weiss immer,
 woran man ist. »

Ein Gebäude müsse mit der Umgebung in Interaktion stehen, so das Credo des Powerpaares. Ein Beispiel: das Zentrum für Menschen in schwierigen Situationen in Saxon; auf der einen Seite die Hauptstrasse und in Sichtweite die Autobahn, auf der anderen Seite Rebberge und Landwirtschaft. «Das Gebäude soll den Menschen, die vom Leben gebeutelt wurden, vor allem ein Dach über dem Kopf, Würde und eine klare Struktur geben.» Das Zentrum fügt sich in die Landschaft ein, nimmt die Farben der Umgebung auf, gibt Stabilität und Sicherheit im geschützten Innenhof. Ganz anders ihr eigenes Büro und Haus in Monthey: Der quadratische Bau hat grosse Fenster, welche die Umgebung spiegeln und das Aussen zum Innen machen. Trennwände aus farbigem Plexiglas führen in jedem Raum zu einer anderen Stimmung und verbinden die Zimmer. «Beton, Plexiglas und Farben sind sehr wichtig für uns», so Bonnard.

Und wie arbeiten sie zusammen, wer ist stärker? Die beiden lachen. «Viele Architektenpaare und -partner arbeiten mit und durch die Konfrontation. Bei uns ist das ganz anders – es ist eine Sym- biose», erklärt Denis Wœffray. Zuerst besichtigen sie den Ort, beobachten, lassen sich inspirieren. Danach machen sie sich einzeln erste Gedanken. «Diese Ideen diskutieren wir dann wieder zusammen und kommen immer schnell auf Gemeinsamkeiten. Unsere Arbeitsweise ist sehr effizient», sagt Geneviève Bonnard.
Obwohl sie auch Wohnbauten realisieren, sind doch die meisten Projekte Schulen und medizinisch-soziale Zentren. Die Schule in Salvan gestalteten sie mit Beton, der Kraft, Farbe und Struktur der Felsen aufnimmt. Teilweise dreistöckig, um die typischen hohen Gebäude des Dorfes aufzunehmen. Oder die Vergrösserung der Primarschule in Bovernier – «das ist ein Gebäude wie eine Staumauer», sagt Bonnard. Das Dorf liegt unten an steilen Felswänden, die Gefahr von Lawinen ist immer da. Um diese Stärke und Härte zu konterkarieren, sind die Aussenelemente aus Aluminium und Spiegelglas, in denen sich die Berge, Wolken und das Grün der Wiesen spiegeln. In Conthey steht die Primarschule in einem Quartier voller Einkaufszentren: funktionelle Bauten, viele Parkplätze, grau in grau. «Also haben wir einen schwarzen, blockartigen Bau mit einem offenen Rundgang in der zweiten Etage geplant. Wir überlegten lange, ob wir das können – ein Schulhaus in Schwarz», erklärt Wœffray. Nur die Decke des Rundgangs leuchtet goldfarben – und lockt nach innen. Schwarz sei ein Signal, so Bonnard. «Wir schirmen die Schule bewusst ab gegen die Konsumtempel ringsum und schaffen eine Art Kokon für die Schüler.» In Farbe, versteht sich: Denn innen kommt das ganze Spektrum der Farbenwelt zum Einsatz. Das Innen ist farbig, das Lernen ist farbig, das Leben ist farbig – so die Botschaft gegen die Tendenz, alles im Aussen zu suchen, sich durch Äusserlichkeiten zu definieren. Die Schule in Conthey, in einem halb gewerblichen, halb landwirtschaftlichen Umfeld, führt die beiden Architekten auch immer wieder auf eines ihrer Lieblingsthemen zurück: die Verstädterung respektive die Städteplanung.

Schule in Salvan Architektur
Die
 Vergrösserung
der Schule in Salvan 
nimmt die dortigen mehrstöckigen Gebäude auf.

«Was ist ein Gewerbequartier? Ist das nun urban, oder ist es eben gerade unstädtisch?», fragt Geneviève Bonnard. Ihnen mache die Zersiedelung der Landschaft grosse Sorgen. «In der ganzen Schweiz, wohlgemerkt.» Wir verbauten viel zu viel Land, würden einen Siedlungsbrei schaffen, ohne Konzept und Idee dahinter. «Damit verbauen wir für Jahrzehnte die Zukunft der nächsten Generation», so Wœffray. Doch es gebe auch gute Beispiele: die Stadt Sion, mit der Place du Midi, die zur Begegnungszone geworden sei, eine neue Pflästerung erhielt und nun zum Flanieren und Verweilen einlade. Oder Martigny mit der Place Central und Monthey, das ebenfalls Begegnungszonen schaffe. «All das führt zu einer besseren Lebensqualität für die Bewohnerinnen und Bewohner», sind die beiden überzeugt. Einen grossen Wunsch hat das Paar: «Einmal möchten wir ein Hochhaus, einen Turm bauen können. Uns fasziniert die Vertikale – geprägt von den Felsen hier im Wallis, ist sie für uns immer eine Herausforderung und eine Initiation», so Geneviève Bonnard. Und von noch etwas träumen sie: «Die Rhone, diese Lebensader, sollte in die Städteplanungen der Walliser einbezogen werden.» In Sion gebe es ein erstes Projekt. «Aber wir sollten gesamthaft versuchen, den Fluss in unser Leben, in unsere Siedlungen einzuladen.» Die Natur in den Städten, das ist das Gegenkonzept zur Zersiedelung der Landschaft, sind sie überzeugt. Mit ihrer Effizienz sollten sie ihre Träume eigentlich verwirklichen können.

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