Mit einem Lächeln im Bike-Paradies
Das Wallis ist ihre Wahlheimat. Die Mountainbikerin Jess Kroon kam zum Skifahren hierhin. Und blieb, weil sich unter dem Schnee ein Bike-Paradies verbarg. Nun hat sie ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht.
Sattgrüne Bergwiesen, lichte Tannenwälder, plätschernde Bergbäche und im Hintergrund die Giganten der Walliser Alpen. Atmosphäre und Landschaft erinnern an ein Postkartensujet. Und Bike-Guide Jess Kroon liefert das passende Erfolgsrezept zur Kulisse: «Mit einem Lächeln auf den Lippen vertreibst du die Angst vor der Herausforderung.»
Die Holländerin gehört zu den arriviertesten Mountainbike-Guides im Wallis. Zusammen mit ihrem Ehemann Erik den Oudendammer führt sie das MTB-Verbier-Team, veranstaltet Touren im ganzen Kanton und betreibt das «Bike Chalet» in Versegères, ein malerisches Kleinhotel mit 14 Betten: «Das ist ein wunderbarer Ort mit einem grossen Garten, in dem man sich auch nach anstrengenden Touren perfekt erholen kann.»
Kroon hat im Wallis ihr Mountainbike-Paradies und ihren Lebensmittelpunkt gefunden. Dabei war sie vor 17 Jahren eigentlich zum Skifahren nach Verbier gekommen: «Wir waren fasziniert von den unglaublich attraktiven Wintersportmöglichkeiten – und konnten uns auch im Frühling nicht von dieser Landschaft lösen.» So entdeckte sie, dass unter der Schneedecke ein «Mountainbike-Gelände von Weltklasseformat» verborgen war. Es war für Jess Kroon und Erik den Oudendammer der Grund zu bleiben: «Seit 2003 sind wir hier zu Hause. Im Winter fahren wir Ski, im Sommer Mountainbike. Das ist der perfekte Lifestyle.» Und die Möglichkeiten werden immer besser: In den vergangenen Jahren hat sich das Netz an markierten Mountainbike-Strecken im ganzen Kanton sukzessive vergrössert und verdichtet. Und dank den öffentlichen Verkehrsmitteln und den modernen Bergbahnen können Touren unkompliziert geplant und durchgeführt werden.
Davon profitieren die Gäste von Jess. Sie kommen in den Genuss von herausragenden Bike-Erlebnissen für alle Stärkeklassen. Von der Tour du Mont Blanc, die sieben Tage dauert und über französisches, italienisches und Schweizer Terrain führt, über die anspruchsvolle Fernfahrt Verbier–Zermatt bis zu leichten Eintagestouren für Anfänger bietet das MTB-Verbier-Team alles an, was das Biker-Herz begehrt – und dies für ein auffallend internationales Publikum. In Verbier treffen sich Mountainbiker aus ganz Europa, aber auch aus Australien, Südafrika und den USA.
Sie erleben im Windschatten von Jess Kroon das Wallis von einer neuen Seite: anspruchsvolle Singletrails, beeindruckende Abfahrten im freien Gelände und Aufstiege, die selbst Olympiasieger Nino Schurter ein paar Schweisstropfen abringen würden. «Hier fährt man über Strecken, die man sich allein nicht immer zutrauen würde», sagt der Engländer Tim, der schon zum vierten Mal unter professioneller Aufsicht in die Pedale tritt.
Diese Haltung entspricht exakt dem Anspruch von Jess: «Wir orientieren uns an Fahrerinnen und Fahrern aller Stärkeklassen – von Halbprofis bis zu Sportlern mit wenig Bike-Erfahrung.» Umso erstaunlicher die Fortschritte innert weniger Tage: «Oft genügen einfache Tipps und kleine Korrekturen, um eine grosse Wirkung zu erzielen». Ein Beispiel: «Beim Bremsen den Körperschwerpunkt nach hinten verlegen – und nur das Hinterrad blockieren. Die Bremswirkung vorne ist fast doppelt so gross», erklärt Kroon.
Nur zum Bremsen hat sich aber niemand angemeldet. Die attraktiven Touren führen teilweise über ruppiges Gelände, anspruchsvolle Steigungen und waghalsige Abfahrten. Bei allen Herausforderungen muss aber immer der Spass im Vordergrund bleiben. «Unsere Touren sollen immer ein Vergnügen sein», sagt Jess, die das Wallis auch wegen seiner kulturellen Vielfalt schätzt: «Ein Zwischenhalt in einer Käserei oder der Besuch eines Kuhkampfes ist nicht zu verachten.» Im Vordergrund bleibt aber der Bike-Sport. Mit Spezialwochen wird auf ein bestimmtes Publikum gezielt, mit Angeboten für Familien auf die Bedürfnisse der Kinder geschaut. Und auch für Frauen gibt es exklusive Bike-Wochen. Für Jess Kroon ist dies eine Herzensangelegenheit: «Viele Frauen haben Respekt davor, sich für eine ganze Woche anzumelden. Wenn wir ihnen aber ein massgeschneidertes Angebot präsentieren, weichen diese Bedenken.»
So oder so gilt für alle Teilnehmenden: Jess und ihr Team aus erfahrenen Bike-Guides kümmern sich um jedes Detail –das ideale Velo, den richtigen Reifendruck, die perfekte Sattelhöhe, die optimale Verpflegung. «Wer bei uns bucht, soll die Schönheiten des Wallis in vollen Zügen geniessen. Selbst wenn es bergauf auch etwas hart werden kann. Wir bieten Bike-Ferien an – und keine Rennen.» Und das Wichtigste ist: «Die Sicherheit kommt immer zuerst.» Gleichzeitig liebt sie es, Grenzen auszuloten: «Alleine unterwegs möchte ich so hoch hinauf wie möglich und so nahe an den Gletscher heran, wie es die Sicherheit erlaubt.»
Jess Koon sprudelt vor Energie und Tatendrang. Und dennoch passt sie sich in Tempo und Intensität ihren Mitfahrern perfekt an. Wer das Vergnügen hat, das Wallis an ihrem Hinterrad zu entdecken, kann sich sicher sein: Er (oder sie) kommt garantiert ans Ziel!
Text: Thomas Renggli Fotos: Pascal Gertschen
Publiziert: Juni 2021
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