Die Gletscherroute
Entlang zweier Gletscher, heimeliger Dörfer und mächtiger Viertausender – der Rundkurs Stoneman Glaciara bietet keine Erholung, aber sehr viel Vergnügen.
Manchmal muss man schnell sein und gleich handeln. Es dauerte nur wenige Stunden, bis Roman Volken eine ungefähre Streckenführung beisammen hatte, um seine Region ins Stoneman-Netz aufnehmen zu lassen. Nach einem Vortrag an einem Bike-Kongress über das Konzept der Stoneman-Biketrails war ihm klar, dass das Wallis mitmachen musste. Nach dem Kongress verfeinerten Romeo Volken und Robert und René Diezig den Streckenplan und schickten die Bewerbung ab. Der Zuschlag kam kurz vor Weihnachten 2016, die beteiligten Gebiete Landschaftspark Binntal, Goms, Aletsch Arena und Bellwald machten es möglich, dass ein halbes Jahr später der 127 Kilometer lange Stoneman Glaciara eingeweiht werden konnte. Er hatte sich gegen andere Kandidaten in der Schweiz durchgesetzt.
Die Idee ist einfach und hat Erfolg: Die Stoneman-Rundstrecken sind nicht nur für einen Event geöffnet, sondern sollen den Fans des Mountainbikens die ganze Sommersaison zur Verfügung stehen. «Wichtig war mir, dass dies ein neues Angebot für den sanften Tourismus ist. Die meisten werden für mehrere Tage kommen, hier auch übernachten und das Wallis in all seinen Schönheiten geniessen», so der umtriebige Bellwalder. Stoneman-Trails gibt es bereits in den Dolomiten und im Erzgebirge, sie führen alle durch landschaftlich spektakuläre Gebiete, und pro Land gibt es nur einen. «Wir sind wirklich stolz, dass wir die Schweiz in diesem Netz vertreten dürfen», freut sich Romeo Volken. Und fügt an, dass es auch der Einzige sei, der gleich an zwei Gletschern vorbeiführe – weshalb ihm auch der Zusatz Glaciara gegeben wurde.
Der 38-Jährige ist ein begnadeter Biker, war Mitglied des Swiss National Teams und vertrat an einer Welt- und einer Europameisterscha die Farben der Schweiz. Er initiierte nicht nur den Stoneman Glaciara, sondern auch das Bellwalder Downhill-Rennen, an dem bis zu 400 Leute teilnehmen. Dieses Jahr findet es bereits zum zwölften Mal statt, wie immer in der ersten Oktober-Woche. Romeo Volken betreibt in Bellwald die Bike-Unternehmung Rodeo Bike mit Shop und Guiding Service, selber ist er ausgebildeter Swiss Cycling Guide. «Das Wallis hat 8000 Kilometer Singletrails – da gibt es viel zu entdecken», verspricht er. Der Stoneman Glaciara hat aber natürlich einen besonderen Platz in seiner persönlichen Bestenliste: Die Stoneman-Glaciara-Route führt über drei ausgewogene Etappen hinauf zum Eismeer des Grossen Aletschgletschers und zurück nach Mörel. Mit knapp 1600 Höhenmetern folgt der Königsanstieg: Eine alte Militärstrasse führt steil rauf zum 2451 Meter hohen Breithornpass. Es folgt die Abfahrt ins Binntal, der Schatzkammer für Bergkristalle und über 200 andere Mineralien. Immer der Rhone entlang geht es danach in Richtung Obergoms – entlang uralter, mystischer Dorfkerne, geschichtsträchtiger Denkmäler und einladender Cafés. Dass das Wallis nicht nur mit hohen und schönen Bergen glänzt, sondern auch durch die einmalige Holzarchitektur und Stimmung in den typischen Walliser Dörfern mit den braun gebrannten Chalets, war ein Grund, dass diese Region ins Netz aufgenommen wurde.
Wie man den Rundkurs absolviert, ist jedem selber überlassen. «Die Teilnehmer starten, wo sie wollen, und sie nehmen sich die Zeit, die ihnen entspricht. Die Route des Stoneman Glaciara ist vollständig beschildert.» Wer als Stoneman «geadelt» werden und gar einen Pokal gewinnen will, besorgt sich das Starterpaket mit Stempelkarte, um die Absolvierung des Rundkurses zu bestätigen. Er muss ihn in maximal drei Tagen absolvieren. «Die Strecke in einem Tag zurückzulegen, ist nur für Athleten», warnt Volken. In drei Tagen schaffen es aber auch routinierte Biker mit Trail-Erfahrung. Volkens Höhepunkte der Route sind die Abschnitte von Bellwald ins Fieschertal: «Ein richtiger Singletrail mit Wurzeln und Steinen.» Auch vom Märjelen zurück auf die Fiescheralp sei spektakulär, wer es schnell und rassig möge, werde beim Abstieg Moosfluh nach Mörel glücklich. Damit auch die Ruhezeit genossen werden kann, sind über die Website die verschiedenen Übernachtungsmöglichkeiten aufgelistet. Insgesamt 18 Übernachtungs- sowie 12 Servicepartner befinden sich direkt an der Strecke.
Ziel der Stoneman-Strecken sei, die Biker zu motivieren, an ihre Grenzen zu gehen und andere Regionen kennenzulernen. «Der Pokal ist so ausgestaltet, dass ihm ein zweiter oder dritter gewonnener obenauf gesetzt werden kann.» Romeo Volken ist überzeugt, dass die einzelnen Gebiete voneinander profitieren. «Ich erhoffe mir auch, dass die Fahrer des Stoneman Glaciara erkennen, welche Schönheiten und welche Möglichkeiten das Wallis Bikern bietet.» Denn: Das Wallis ist das perfekte Abenteuerland, eine unermessliche Spielwiese an Trails. Hier führen bestens markierte Mountainbike-Strecken vorbei an sprudelnden Bergbächen und Alpseen oder schlängeln sich über Bergflanken und durch dichte Wälder. Dank den öffentlichen Verkehrsmitteln und Bergbahnen stehen unzählige Möglichkeiten offen, um Touren für jedes Niveau zu planen.
Es gibt leichte Touren wie Courtavey Bike, eine 12,4 Kilometer lange Tour zwischen Crans-Montana und den Alpweiden etwas ausserhalb. Oder die 12,7 Kilometer lange Biketour Schwarzsee–Zermatt, die sich fürs gemütliche Fahren eignet, ideal auch für Familien. Mittlere Touren hat es übers ganze Wallis verteilt, so etwa die Alpentour Route du Lait – eine angenehme Tour, die von der Bergstation der Seilbahn Champéry-Croix-de-Culet über Lapisa nach Champéry zurückführt und wunderschöne Sicht auf die Dents Blanches bietet. Die legendäre Schweizer Mauer (Chavanette) kann für einmal ohne Schnee und Buckel bezwungen werden! Wer sehr gut trainiert ist und sich den Viertausendern nähern will, wählt die Strecke Valais Alpine Bike – keine andere Route kommt so nahe an die imposanten Viertausender heran. 143 Kilometer von Verbier nach Chandolin, einige Teile der Strecke sind identisch mit dem legendären Bike-Rennen Grand Raid von Verbier nach Grimentz. Dieser Bike-Marathon ist nicht nur der älteste und einer der eindrücklichsten der Alpen, sondern auch einer der prestigeträchtigsten überhaupt. Die beste Zeit, sich auf einen alpinen Trail zu machen, beginnt im Juni. Auch der Stoneman Glaciara öffnet am 15. Juni.
Text: Monique Ryser Fotos: Pascal Gertschen
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