Naturerlebnis in aller Stille

Skitourengruppe beim Aufstieg zum Gandhorn im Binntal, Wallis

Seine charakteristische Mütze verschwindet an diesem Februarsonntag fast mit dem Nebel. «Aber die Sonne wird uns schon bald anlächeln», versichert Hanspeter Berchtold mit lachenden Augen.

Der Bergführer aus Bitsch führt seine weisse Kopfbedeckung seit 33 Jahren auf den Walliser Gipfeln spazieren, da werden ihn ein paar kalte Nebelschwaden nicht davon abhalten, erneut in Begleitung von Rosemarie und Hannelore die Hänge des Binntals hochzusteigen.

Karte und Kompass braucht er nicht – er kennt das Gebiet: «Der Aufstieg zum Gandhorn ist eine meiner Lieblingsrouten im Tal zwischen Sidelhorn und Ofenhorn.» Der Name Ofenhorn ist ihm ebenfalls wohlbekannt, führt er doch gemeinsam mit seiner Frau Rosemarie das gleichnamige Hotel in Binn, dem Hauptort des Naturschutzgebiets. Das Binntal war einer der ersten Landschaftsparks der Schweiz und ist bekannt für seine Mineralien, seine farbigen Felsformationen und seinen wilden Charakter. Im Winter laden zahlreiche Routen zum Schneeschuh- oder Skiwandern ein. Oft wecken daher fröhliche Wandergruppen das Tal aus seinem Winterschlaf.

Die kleine von Hanspeter angeführte Gruppe steigt auf Ski zwischen den Lärchen den Hang hinauf. Seine beiden Begleiterinnen bemühen sich mit den langen, federnden Schritten des Bergführers mitzuhalten. «Eile mit Weile …» Die drei Wanderer pendeln im gleichmässigen, vom Führer vorgegebenen Rhythmus ihrer Schritte hin und her. Ein umgestürzter Baum erinnert an einen tief in Gedanken versunkenen Philosophen. Einige Äste strecken ihre verkrümmten Gabeln über den Weg – als wollten sich die Wintergeister gegen die Eindringlinge zur Wehr setzen. Doch bleibt der Schritt der Wanderer ebenso ruhig wie dieser kühle Morgen; nur gelegentlich wird die Stille gestört durch das Tosen eines Wasserfalls oder die Erkundigung des Bergführers, ob alles in Ordnung sei. An der Alphütte auf dem Eggerboden prangt eine erst kürzlich in die dunkelbraunen Balken geschnitzte helle Sonne. «Die Binner sind ausgezeichnete Holzschnitzer und verzieren ihre Häuser gern mit der strahlenden Sonne – vielleicht, weil sie sie im Winter manchmal lange nicht zu sehen kriegen?» Es ist wohl der nach wie vor dichte Nebel, der den Bergführer zu dieser Erklärung inspiriert hat. Die prächtigen, von Reif überzogenen Bäume verleihen der Szene eine magische Note und bald hängen alle wieder ihren eigenen Gedanken nach. Die Stille der Berge ist ansteckend – das ist der Reiz des Skiwanderns!

Skitourengruppe beim Aufstieg zum Gandhorn im Binntal, Wallis

Die Lärchen mit ihren weissen Nadeln lichten sich langsam. Ohne Hanspeter an der Spitze stünden Hannelore und Rosemarie nun an der Grenze zum Unbekannten. Doch der weiss den Weg und beginnt ohne zu zögern, die Bergflanke zu überqueren. Der Führer lässt die Skifahrerinnen etwas zurückbleiben für den Fall, dass sich aufgrund des stetigen Windes ein Schneebrett gebildet hätte. Auf einer abgerundeten Krete wagt es ein Luftstoss ab und zu, den in Weiss gehüllten Himmel etwas aufzuhellen – bis ein kleines Stück tiefblauer Himmel zu sehen ist. Nun bricht gar ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke und hoffnungsvoll wenden sich die Köpfe. Trotz Wind und Anstrengung hellen sich auch die Gesichter auf. Bald erscheint das das ganze Panorama, die Gipfel von Schneewirbeln zerzaust: vom Holzerspitz bis zum Hohsandhorn, vom Ofenhorn bis zur Scherbadung, vom Helsenhorn bis zum fernen Weisshorn! Stolz und schneebekrönt stehen sie da, enthüllt von einem starken Ostwind. Dieser drängt jedoch auch die Wandergruppe zum Weitergehen – ein Stück weiter bietet ein Unterstand für Schafhirten etwas Schutz für eine Pause. So sind die Berge: mysteriös, überraschend, manchmal streng fordernd, aber auch überaus lohnend!

Skitourenfahrer beim Aufstieg zum Gandhorn im Binntal, Wallis

Die Gerstensuppe wird auf dem Rückweg umso besser schmecken. Der Apfelstrudel ist köstlich saftig im Restaurant Bärgkristall im kleinen Weiler Feld. Wer will, erfährt hier etwas mehr über das Tal und seine zähen, von den strengen Wintern abgehärteten Bauern. Einmal aufgewärmt, zeigen sich die beiden Freundinnen begeistert von der Wanderung auf einen Gipfel, dem sie künftig den Spitznamen «Eleganthorn» geben wollen. Hans-Peter führt sie noch ins benachbarte Museum des Kristallsuchers André Gorsatt, der sagt, er lebe hier nicht am Ende der Welt, sondern in ihrem Zentrum!

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